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Künftig mehr Eingriffe ambulant

Freuen sich über einen gelungenen Vortrag (v.l.): Praxismitarbeiterin Silvia Schlüter, Ärztin in Weiterbildung Jessica Modes-Aulke, Dr. Lutz Ehnert, Jürgen Fölsing, Dr. Dirk M. Fellermann und Bürgermeisterin Dr. Isabell Tammer vor dem Veranstaltungsort, dem Alten Rathaus Münzenberg.
Münzenberg (HR). Nach den Plänen des bisherigen Gesundheitsministers Karl Lauterbach soll jede vierte bislang stationäre Behandlung künftig ambulant vorgenommen werden, das heißt: Nach dem Eingriff wird der Patient/die Patientin sofort nach Hause geschickt. Was das für Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte und vor allem die Patientinnen und Patienten bedeutet, referierte GZW-Geschäftsführer Dr. Dirk M. Fellermann in der Reihe „Gesund in Münzenberg“.
Ziel der Pläne ist laut Fellermann, das finanziell unter Druck stehende deutsche Gesundheitssystem – eines der teuersten, aber nicht unbedingt eines der effektivsten weltweit – zu entlasten, sprich: den Umfang der Krankenhausaufenthalte zu verringern.
Die Auswertung von Projektionen zeige allerdings, dass die Krankenhäuser sich keine Sorgen um weniger Auslastung machen müssten. Selbst bei Abzug der künftig ambulanten Leistungen bleibe angesichts der alternden Bevölkerung und der damit einhergehenden längeren durchschnittlichen Verweildauer pro Patient die prognostizierte Zahl der Bettentage in den hessischen Krankenhäusern annähernd gleich. Im Wetteraukreis steige sie laut Projektion zwischen 2022 und 2035 sogar um 9,6 Prozent, im Vogelbergkreis, zu dem das Kreiskrankenhaus Schotten des GZW gehört, um 3,2 Prozent. „Wir können unseren 130 Millionen Euro teuren Krankenhausneubau in Bad Nauheim also ruhigen Gewissens fortsetzen“, konstatierte der Referent.
Für eine Auswahl von Eingriffen und Operationen, die zuvor überwiegend stationär durchgeführt worden waren, gibt es laut Dr. Fellermann seit 2024 eine spezielle sektorengleiche Vergütung, die so genannten Hybrid-DRG. Diese Fallpauschalen werden unabhängig davon gezahlt, ob der Eingriff stationär oder ambulant erfolgt. Ab 2024 betraf dies bestimmte Hernieneingriffe, die Entfernung von Harnleitersteinen oder von Eierstöcken, die korrigierende Versteifung der Zehengelenke oder die Entfernung einer Steißbeinfistel.
Mit Beginn des Jahres 2025 wurde dieser Katalog um mehr als 200 Positionen erweitert, darunter die Behandlung des Karpaltunnelsyndroms, Eingriffe an Handgelenk oder Hand, Eingriffe an der Schulter, Arthroskopien, Gefäßeingriffe, Gastroskopien, der Einsatz von Zweikammersystem-Herzschrittmachern, ablative Maßnahmen. Der jetzt beschlossene Katalog umfasse eine Vielzahl von Leistungen, die bisher rein stationär erbracht worden seien und für die es keine entsprechenden ambulanten Fälle gebe, erläuterte Dr. Fellermann. Beispiele seien die Entfernung von Gallenblasen oder die Operation einer Blinddarmentzündung.
Sicherlich könnten Patientinnen und Patienten im Einzelfall auch nach Blinddarm- oder Gallenoperationen bei völlig komplikationslosem Verlauf am gleichen Tag wieder nach Hause entlassen werden, aber wer übernehme dann die Verantwortung?, fragte Dr. Fellermann. Die Praxen der niedergelassenen Chirurgen hätten in der Regel nicht rund um die Uhr geöffnet, und käme es bei einer ambulanten Operation zu Komplikationen, suchten die Patientinnen und Patienten dann doch wieder das Krankenhaus auf.
Zudem seien bei Operationen und Eingriffen, die sowohl ambulant als auch im Krankenhaus durchgeführt werden könnten, die Patientinnen und Patienten nicht vergleichbar. Praxen könnten viel leichter als Krankenhäuser die komplikationsgefährdeten Patientinnen und Patienten ablehnen und an das Krankenhaus verweisen. Die im Krankenhaus behandelten Patientinnen und Patienten seien regelhaft älter oder hätten Einschränkungen oder Begleiterkrankungen. Theoretisch seien schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus mit Komplikationen, Chemotherapie oder eine immunsuppressive Therapie, aber auch eine fehlende häusliche Versorgung oder fehlende Transportmöglichkeiten nach dem Eingriff Gründe, einen Patienten trotzdem stationär aufzunehmen, erläuterte Dr. Fellermann. Dies werde in dem aktuellen Konzept aber nicht berücksichtigt.
Das GZW reagiert nach Worten seines Geschäftsführers trotzdem aktiv auf die Entwicklung und nutzt dabei die Gunst der Stunde: Im inzwischen fertiggestellten neuen Operationstrakt des Hochwaldkrankenhauses wurde gleich ein eigener Bereich speziell für das ambulante Operieren (neudeutsch „Same Day Surgery“, SDS, genannt) eingerichtet, der vor wenigen Wochen in Betrieb gegangen ist.
„Pass auf die Niere auf!“ lautet der nächste Vortrag der Reihe „Gesund in Münzenberg“. Zu dem Thema referiert am Mittwoch, 21. Mai 2025, Dr. Ralf Schäfer (KFH Nierenzentrum Bad Nauheim) um 18 Uhr im Alten Rathaus Münzenberg. Aus Platzgründen ist eine Anmeldung unter der Rufnummer 06004/505 erforderlich.