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Umfassende Hilfe am Lebensende

Referierten zur Versorgung Schwerstkranker am Lebensende: Dr. med. Anette Fischer (links) und Diplom-Psychologin Juliane Richter.
Bad Nauheim (HR). Im Gegensatz zur allgemeinen ambulanten Palliativ-Versorgung (AAPV) durch die Hausärzte obliegt die spezialisierte ambulante Palliativ-Versorgung (SAPV) eigens eingerichteten und ausgebildeten Teams. In der Wetterau ist das dem regionalen Krankenhausverbund Gesundheitszentrum Wetterau (GZW) angegliederte SAPV-Team mit Sitz in Butzbach seit inzwischen 15 Jahren tätig und aufgrund der großen Nachfrage in diesem Zeitraum von ursprünglich acht auf 25 Personen gewachsen. Seine Arbeit erläuterten die Leiterin des Teams, Dr. med. Annette Fischer, und Diplom-Psychologin Juliane Richter in der Sonntagsvorlesung am GZW.
Wird bei Schwerkranken die Symptomlast so hoch, dass Hausärzte mit einer alleinigen Betreuung an ihre Grenzen stoßen, kann per Verordnung durch Hausarzt, Facharzt oder Krankenhaus die SAPV hinzugezogen werden. Die Voraussetzungen für ihr Eingreifen sind klar definiert: eine unheilbare Erkrankung (wie Krebs oder ein neurologisch schweres Leiden) in Verbindung mit ausgeprägten Symptomen wie Luftnot, Erbrechen, Übelkeit oder starken Schmerzen. Unbedingt notwendig ist nach Darstellung von Dr. Fischer auch ein funktionierendes familiäres Grundnetzwerk. „Ab einem bestimmten Punkt können Schwerstkranke nicht mehr alleine leben“, betonte die Ärztin. Gegebenenfalls sei dann der Umzug in ein Hospiz sinnvoll.
Zu den Leistungen der SAPV gehören mindestens ein Hausbesuch wöchentlich zur Klärung medizinischer und anderer Fragen, regelmäßige Telefonate und eine 24-stündige Rufbereitschaft für Krisensituationen. Gemeinsam mit der Familie und den Netzwerkpartnern (einschließlich ambulanten Hospizgruppen, die pflegende Angehörige stundenweise entlasten könnten) werde festgelegt, was der Patient/die Patientin und seine/ihre Familie brauchen. Dies beziehe sich auch auf die psychologische und seelsorgerische Betreuung aller Beteiligten.
Häufig falle es den Betroffenen leichter, mit einer außenstehenden und unvoreingenommenen Person zu sprechen, erklärte Juliane Richter. In einer Krisensituation wie der am Lebensende gehe es oft nicht nur um Krankheit oder Tod, sondern auch andere, zwischenzeitlich verdrängte Probleme kämen hoch. Immer wieder Thema seien die Reaktionen des Patienten, die – hin und wieder zum Unverständnis der Angehörigen – manchmal von Wut und oder Verzweiflung gekennzeichnet sein könnten.
Wichtig sei die rechtzeitige Erstellung von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Dies erleichtere vor allem den Angehörigen den Umgang mit der bereits grundsätzlich sehr belastenden Situation. Hilfestellung dabei könne beispielsweise die „Wichtig-Mappe“ geben, die Informationen und Formulare für unterschiedliche Lebenslagen biete und von der Seite der hessischen Landesregierung heruntergeladen werden könne (https://familie.hessen.de/sites/familie.hessen.de/files/2025-01/wichtigmappe_ausfullbar_30-12-2024_gross.pdf). Lägen diese Unterlagen nicht vor und könne sich der Patient nicht mehr äußern, seien Entscheidungen im Rahmen einer ambulanten Ethikberatung mit Hausarzt und Angehörigen zu treffen. Auch das Ehegattennotvertretungsrecht könne bei Verheirateten und eingetragenen Lebenspartnerschaften zum Tragen kommen.
Als Ziele der SAPV nannte Dr. Fischer die Vermeidung von Krankenhausaufenthalten, die bestmögliche Symptomkontrolle sowie Sicherheit für den Patienten ebenso wie für Angehörige und Pflegende, auch in Heimen.
Krankenkassen zahlen die Leistungen der SAPV in der Regel für zweimal 90 Tage, längere Hilfen müssten begründet werden. Zum SAPV-Team gehören nach Dr. Fischers Angaben neben Seelsorgern und Psychologen ausgebildete Wundmanagerinnen und Aromatherapeuten; manche Symptomlinderung sei auch ohne „Chemiekeule“ möglich. Stabilisiere sich der Zustand eines Patienten, werde er oder sie (auch vorübergehend) aus der SAPV entlassen und die Tätigkeit gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen. Auf Wunsch helfe das Team bei der Überleitung eines Patienten auf die Palliativstation (bei akuten Problemen, die ambulant nicht aufgefangen werden könnten) oder ins Hospiz.
Die Palliativversorgung sei angedockt ans Krankenhaus, aber dort gebe es grundsätzlich keine Dauerversorgung oder „Sterbestation“. Im Hochwaldkrankenhaus sei die Palliativversorgung aktuell „fliegend“ organisiert: Palliativ-care-Pflegekräfte, Palliativ-Ärzte und Psychologen besuchten die Patienten auf den Stationen. „Im Interesse unserer Patienten wünschen wir uns eine frühe Einbindung bei schweren Erkrankungen, gerne auch bei noch laufender Chemotherapie, denn beispielsweise in der Symptomkontrolle können wir ganz viel bewirken“, so Dr. Fischer abschließend.